Hl. Calinic (Kalinikus) von Cernica

Text aus: Metropolit Serafim – Hesychasmus, Rumänische Tradition und Kultur, Der Christliche Osten Verl., Würzburg, 2003

Der heilige Kalinikus ist der Berühmteste Vertreter dessen, was man in der rumänischen Literatur „die Spiritualität von Cernica” genannt hat. Er „vereinte in seiner Spiritualität, auf erstaunliche Art und Weise, die strengste Askese und das strengste Gebet sowohl mit absolutem Gehorsam in der Gemeinschaft und der Sorge um die Armen, als auch mit der Aktivität eines Kirchengründers.” (1)

Geboren am 7. Oktober 1787 in Bukarest, trat der junge Konstantin im Alter von 20 Jahren ins Kloster Cernica ein, nachdem er die griechisch-rumänische Schule in Bukarest besucht hatte. Ein Jahr später wurde er Mönch unter dem Namen Kalinikus. Dann wurde er Diakon (1808) und Priester (1813). Wegen seiner außerordentlichen Qualitäten wählte ihn die Gemeinschaft 1818 zum Abt, als er erst 30 Jahre alt war. Während seiner Zeit als Abt wuchs die Zahl der Mönche im Kloster auf 350. Er ließ für sie eine neue Kirche und angemessene Zellen, sowie Werkstätten bauen, in denen sie Kleidung und andere, für die Gemeinschaft notwendige Dinge herstellten.

Im Jahre 1850, nach 43 Jahren des Aufenthaltes in Cernica, davon 32 als Abt, nahm der heilige Kalinikus auf Drängen des Prinzen Barbu Stirbei die bischöfliche Würde für das Bistum Ramnic an. (2) Nach zehn Jahren ohne Bischof war dieses Bistum in einem bedauernswerten Zustand: die Residenz und die Kathedrale waren nur noch Ruinen, das Seminar war geschlossen, die Ausbildung der Priester war mangelhaft und deren materielle Situation heikel. Viele Kirchen waren in schlechtem Zustand, ruiniert oder gar geschlossen. Dank eines immensen Kraftaktes gelang es dem heiligen Kalinikus, alle diese praktischen und administrativen Probleme zu lösen. Ab 1851 nahm er die Kurse im Seminar wieder auf und baute eine neue Kathedrale, die er sogar selbst entworfen hatte,(3) sowie neue Gebäude für die Residenz des Bischofs und das Seminar. Er ließ das Kloster Frasineni errichten, wo er nach athonitischem Vorbild strenge Lebensregeln einführte und einige Kirchen erbauen ließ. In Ramnic selbst richtete er auch eine Druckerei ein.

Sein Schüler und Biograph sagt, er sei „derart barmherzig, daß, wenn er nichts zu geben hatte, er auf seine eigene Kleidung zurückgriff und mich, den Unwürdigen, anflehte, Geld aufzutreiben wo ich nur könne, um es unter den Brüdern Christi zu verteilen, denn so nannte Seine Heiligkeit die Armen und Kranken.” (4)

Sein Testament zeugt von der Einfachheit und der Armut, in denen er lebte: „Ich habe weder Gold noch Silber angehäuft. Ich wollte keinerlei Überfluß, weder Kleidung noch sonst irgend etwas… Ich hinterlasse nichts, nichts für meine Beerdigung und nichts zu meinem Andenken… Auf das man sieht, daß es Gott ist, an den ich glaube. Denn die Tatsache, daß ich nach meinem Tod kein Geld hinterlasse, wird Gott mehr gefallen, als wenn man nach mir viele Almosen verteilen würde…” (5)

Nach siebzehn Jahren des Episkopats zog sich der heilige Kalinikus erneut in sein Kloster Cernica zurück, wo er noch ein Jahr als einfacher Mönch lebte. Dort starb er am 11. April 1867. Im Jahre 1955 wurde er von der rumänischen Kirche kanonisiert und seine Reliquien wurden im Kloster Cernica den Gläubigen zur Verehrung ausgestellt.

Eine allumfassende Spiritualität

 Im Leben des heiligen Kalinikus sind auf bewundernswerte Art und Weise alle Züge dessen vereint, was wir die „Spiritualität von Cernica” genannt haben: Askese, mildtätige Werke, praktische Tätigkeiten, Charakteristika, die ihren Ursprung und ihre Krönung in einem mystischen Leben des Gebets und der Kontemplation in Christus finden. Vater Dumitru Staniloae sieht darin eine „allumfassende Spiritualität.” (6)

Als rigoroser Asket dehnte St. Kalinikus sein Fasten auf bis zu 40 Tage aus. Während seines gesamten Lebens als Mönch hat er niemals Fleisch gegessen und ab 1820 aß er auch keinen Fisch mehr und begnügte sich mit Gemüse. Um den „Stolz zu besiegen, aß er am Samstag und Sonntag Käse und Milch.„(7) Was das Schlafen angeht, schlief er nicht mehr als drei Stunden pro Nacht und nicht in einem Bett, sondern auf einem Stuhl.” (8) Für ihn war die Askese ein unabdingbares Mittel, um sich von den Leidenschaften zu reinigen.

Von den Leidenschaften gereinigt, pflegte er die entsprechenden Tugenden: Sanftheit, Güte, Demut und Liebe. „Alle Mönche, junge und alte„, bemerkt sein Biograph „bewunderten ihn aufrichtig, weil er wahrhaftig sanft und demütig war, ohne Perfidie, ohne Haß und Arglist, und sich allen unterordnete.” (9) So „brachte er die Askese als Mittel der persönlichen Vervollkommnung mit der Mildtätigkeit als sozialer Tugend in Einklang und bewies, daß die Askese den Menschen nicht ins Gefängnis seiner individualistischen Interessen einschließt… sondern daß sie, im Gegenteil, ein Mittel zur Zerstörung des Egoismus ist.” (10)

Die rege äußerliche Tätigkeit, der er nachging, verhinderte ein leidenschaftliches Leben der Kommunion mit Gott durch Gebet und Kontemplation nicht. Sein von der Liebe zu Gott und den Menschen durchdrungenes Herz wurde derart empfindsam, daß er oft Ströme von Tränen vergoß. Oft war er auch in Ekstase.

Gegen Ende seiner Tage ergoß sich das göttliche Licht, in dem er lebte, auch spürbar über diejenigen, die mit ihm lebten. Sein Schüler Athanasius erzählt: „Eines Morgens, nach Beendigung des Nachtgebets – denn ich las ihm in der Zelle die gesamten Regeln des Gebetes vor, während der Vater im Bett lag – sahen wir – ich und die Väter, die noch in der Zelle waren – einen Globus unbeschreiblichen Lichtes aus Seiner Heiligkeit hervortreten. Bei diesem Anblick warfen wir uns vor Furcht alle auf den Boden, während sich das wundersame Licht auf die Fenster gen Osten zubewegte. Am darauf folgenden Abend sagte ich ihm, was wir gesehen hatten. Seine Heiligkeit schaute mich lange und aufmerksam an, worauf er sagte: „Seid wachsam, denn in dieses Haus kommen ständig Engel und andere himmlische Gestalten. Denke an das, was ich dir gesagt und gezeigt habe.” (11)

Sein Ende war ebenso wundersam wie sein Leben. Er sagte seinen Tod dreizehn Tage voraus. „Als seine Tage abgelaufen waren, genas er völlig. Er stand auf, zog das Sterbegewand an – die anderen hatte er schon weggegeben – wusch sich das Gesicht, kämmte sich und segnete alle, die sich mit in der Zelle befanden. Dann beugte er sich aus dem Stand über die Brust des
Mönches Hermann und sagte: „Leb wohl, wir sehen uns wieder in der Herrlichkeit der anderen Welt.„Und er starb nachdem er drei Seufzer ausstieß und blieb über die Brust des Mönches Hermann gebeugt.” (12)

Es fehlt der Platz um die zahlreichen Heilungen, die er vollbrachte, und die zahlreichen Prophezeiungen, die er tat, aufzuzählen. St. Kalinikus von Cernica bleibt der geliebteste und verehrteste unter den rumänischen Heiligen.

(1) Dumitru STANILOAE, Rumänische Philokalia VIII, S. 583.

 (2) Im Jahre 1834, nach dem Tode des Metropoliten Gregor der Lehrer, lehnte der heilige Kallinikus die Metropolitenwürde des Landes ab, die ihm der herrschende Fürst, Alexander Ghica, angeboten hatte.

 (3) Siehe dazu die Bemerkungen von D. STANILOAE in „Discours pour la canonisation de saint Callinique” in BOR LXXIII (1955), 11-12, S. 1168: „Es ist erstaunlich, das Zusammenleben und die Harmonie zwischen der Kontemplation des göttlichen Lichtes und der aufmerksamen Rücksicht auf die konkreten Dinge des Lebens bei ihm zu sehen; zwischen der Wachsamkeit, die die geheimsten Gedanken durchzog und der Aufmerksamkeit, die vorsichtige Pläne zur Konstruktion, Organisation und Verwaltung ins Leben rief.„(Wir erinnern uns, daß er nicht nur die Pläne für seine Kathedrale und das Kloster Frasinei ausarbeitete, sondern daß er auch den Zusammenbau der Kuppeln überwachte, und dafür persönlich auf das Gerüst stieg.)Deshalb „Betrachtete der heilige Kallinikus den Entwurf seiner Pläne mit himmlischer Vernunft, und er entdeckte darin Strahlen des himmlischen Lichtes„.

 (4) Athanase BALDOVIN, „Vie et combats monastiques du vénérable évêque de Rimnic, Noul Severin„.BOR XXII (1899), S. 1018.

 (5) Siehe das Testament, vollständig bei CASSIAN von Cernica, Geschichte der heiligen Klöster Cernica und Caldarusani (auf Rumänisch), Bukarest, 1870,  S. 129.

 (6) Rum. Philokalia VIII, S. 583.

 (7) CASSIAN von Cernica, Geschichte…, S. 129.

 (8) ibidem, S. 88.

 (9) Athanase BALDOVIN, „Vie et combats…„, S. 1018.

 (10) Dumitru STANILOAE, „Discours pour la canonisation de saint Callinique” in BOR LXXIII (1955), 11-12, S. 1167.

 (11) Athanase BALDOVIN, „Vie et combats…„, S. 1032-1033.

 (12) ibidem, S. 1033.