Gott freut sich. Gemeinschaft und die Einheit der Christen – Impuls von Prof. Dr. Ingeborg Gabriel beim Fest der Rumänischen Pfarrei in Krems

Prof. Dr. Ingeborg Gabriel, Krems, 5.11.2020Impuls von O. Univ. Prof. em. Mag. soc. oec. Dr. theol. Ingeborg Gabriel beim Pfarrweihfest der Rumänischen Orthodoxen Pfarrei in Krems a.D., 5.11. 2020

hochverehrter Herr Metropolit Serafim Joantă,
hochverehrter Herr Bischof Alois Schwarz,
lieber Herr Pfarrer Christoph Weiß
lieber Herr Pfarrer Cezar Marksteiner-Ungureanu, lieber Cezar, der Du der neue Pfarrer dieser rumänisch-orthodoxen Gemeinde bist.
Liebe Christinnen und Christen aus den beiden Pfarrgemeinden,

Es ist mir eine Freude und große Ehre, hier bei dieser feierlichen Vesper sprechen zu dürfen.

Der Titel Gott freut sich, ist mir spontan eingefallen, als Cezar mich fragte, ob ich ein paar Worte sagen kann. Und ich meine, er ist passend:
Warum freut sich Gott? Er freut sich, dass hier ein Ort des Gottesdienstes und des Gebets in neuer Weise errichtet wird, der zugleich ein Ort der Gemeinschaft ist – und er freut sich, dass das in geschwisterlicher Einheit und ökumenischer Eintracht geschieht. Das sind drei Gründe zur Freude, die wir als Christinnen und Christen teilen und widerspiegeln sollen.
Freude entsteht, wo etwas gut gelingt, das dem Leben, dem äußeren oder inneren Leben dient. Gott, der Menschenfreundliche, wie es in der orthodoxen Liturgie immer wieder so schön heißt, will dass sich Menschen freuen. Er ist ihnen wohlgesonnen und lenkt, wo immer unsere Freiheit es ihm erlaubt, die Dinge so, dass sie Menschen Freude machen und Gott teilt diese Freude.
Freude spielt eine große Rolle in der Bibel und besonders im Evangelium als der frohen Botschaft schlechthin. Das sollten wir uns in diesen Tagen in Erinnerung rufen, wo nicht nur die herbstliche Düsterheit wenig Freude aufkommen lässt, sondern uns auch eine Pandemie und Terroranschläge verunsichern und die Freude rauben wollen.
Doch der Apostel Paulus fordert uns auf, uns immer zu freuen. „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich euch, freut euch! (Phil 4, 4). Es ist dies derselbe Apostel Paulus, der im 2. Korintherbrief von all dem erzählt, was er durchgemacht hat (Schiffbrüche, Auspeitschungen, Gefängnis und, und, und) und er lebte in noch unsicheren Zeiten als die unsrigen. Und dennoch kommt von ihm die intensivste Aufforderung, sich zu freuen!
Und worüber kann man sich mehr freuen, als wenn ein Ort entsteht, an dem die eucharistischen Geheimisse gefeiert werden, an dem gebetet wird und an dem so Menschen Gottes Gnade in besonderer Weise erfahren können und damit Kraft für ihren Alltag bekommen.
Eine Pfarre, wie die hier gegründete rumänisch-orthodoxe Pfarre, ist besonders wichtig für Menschen, die neu nach Österreich gekommen sind und sich hier erst materiell aber auch geistig eine Heimat aufbauen müssen. Sie kann eine wichtige Rolle spielen, damit sie sich hier im Leben einrichten können, Kontakte knüpfen, sich zu Hause fühlen.
Eine Pfarre ist immer und überall eine Keimzelle des Lebens in der Begegnung mit Gott und ein Ort der wechselseitigen Begegnung. Eine geistige Heimat zu finden, ist dabei ebenso wichtig, wie eine Arbeit, eine Familie, Freunde. Sie macht es möglich, die alte Heimat mit der neuen zu verbinden, die Muttersprache mit der neuen Sprache zu verbinden.
Wir haben in den letzten Jahren große Wanderbewegungen innerhalb Europas erlebt, in denen Menschen auf der Suche nach einem besseren Leben und nach Arbeit von zu Hause wegziehen. Auch wenn sich diese Hoffnungen erfüllen, macht Migration Menschen verwundbarer, reißt Familien auseinander und stellt vor große persönliche, wie gesellschaftliche Probleme. Um sie zu bewältigen, braucht es geistige Kraft, Gemeinschaft und wechselseitige Hilfe.
Im Philipperbrief des Apostels Paulus heißt es dann weiter – „Eure Güte werde allen Menschen bekannt…! Und der Gott des Friedens wird bei euch sein.“ (Phil 4,7)
Pfarrgemeinden sind Orte, in denen ein echtes christliches Miteinander gelingen soll. Freude entsteht dort, wo Menschen in Eintracht miteinander wohnen, feiern beten. Dieser Friede und diese Eintracht sind die Voraussetzung für ein glückliches Leben, für menschliche Kreativität und für Solidarität.
Und hier komme ich zu einem dritten Grund für die Freude Gottes und unsere Freude – die Freude an der gemeinsamen Feier der Eucharistie, an der Gemeinschaft und an einer ökumenischen Zusammenarbeit. Die Spaltung der Christenheit war und ist eines der großen Dramen der Geschichte, sie macht Gott keine Freude sondern ist gegen seinen Willen und macht den christlichen Glauben gegenüber anderen unglaubwürdig. Wir alle sind daher gerufen, zur Heilung dieser Traumata und zur Versöhnung beizutragen. Und auch das geschieht durch die Zusammenarbeit in dieser Pfarre.
Angesichts der Rechthaberei, Schuldzuweisungen, ja des Hasses, der zwischen Christen leider oft geherrscht hat und teilweise noch herrscht, sind derartige Kooperationen ein Grund zur Freude und zur Hoffnung. Der Anlass dazu ist erst einmal pragmatisch. Es geht um die Teilung eines Kirchenraums, den die katholische Gemeinde nur teilweise benötigt. Dazu großzügig JA zu sagen, dies als Chance zur Begegnung zu begreifen, ist ein erster Schritt. Für die Gläubigen der orthodoxen Kirche in der Diaspora gilt es ebenso großzügig und dankbar anzunehmen, dass sie auf andere angewiesen sind. Das verlangt eine innere Umkehr, braucht Klugheit, Mut und die Güte, von der der Apostel Paulus spricht.
Zugleich aber besteht so die Möglichkeit für Orthodoxe wie für Katholiken eine andere christliche Tradition und Liturgie kennenzulernen. Ich persönlich finde das immer sehr spannend. Früher musste man dafür weit reisen. Jetzt kann man einfach hier in Krems entscheiden, in den Gottesdienst der anderen Kirche zu gehen. Man kann Fragen stellen: Warum ist das bei euch so und bei uns so? Man kann zuhören und zuschauen und – so meine eigene Erfahrung – mehr über den eigenen Glauben und die eigene christliche Tradition lernen. Probieren Sie es aus einmal! Es ist eine große Freude und Bereicherung. In dieser Vielfalt, auch der liturgischen Vielfalt, liegt eine der großen Stärken des Christentums. Denn sie lehrt uns das unergründliche Geheimnis Gottes und Christi ein klein wenig besser zu verstehen. Wie es vier Evangelien gibt, die Jesu Leben aus unterschiedlichen Perspektiven schildern (die Kirche hat es im 2. Jahrhundert abgelehnt, daraus eines zu machen), so gibt es unterschiedliche Form des Gebets und der Feier, die alle dasselbe Ziel und denselben Mittelpunkt haben: den Lobpreis des dreifaltigen Gottes. Sie sind zugleich Ausdruck langer geistiger und ethischer Traditionen. Die Verankerung in ihnen gibt Kraft und Hoffnung und Belastbarkeit (man spricht heute von Resilienz) auch in schwierigen Zeiten.
Dies alles drückt die schöne, kreative Ikone aus, die diese rumänisch-orthodoxe Gemeinde sich ausgesucht hat. Zwei Erzengel zum Schutz und zwei Heilige, den Hl. Kolomban, ein Heiliger der noch ungeteilten Kirche, der hier in der Gegend aus Irland kommend missionierte also auch Ausländer war und vor fast genau 1000 Jahren als Märtyrer starb. Und der Hl. Paisios von Neamt (Velichkovsky) aus dem 18. Jahrhundet, der aus Kiev nach Rumänien kam, der ein geistiger Vater und Intellektueller war, der für die Erneuerung des monastischen Lebens und der Spiritualität in Rumänien steht. Ein ungleiches Paar und zugleich zeigt es, wie vielfältig das Christentum ist, wie es in unterschiedlichen Zeiten auf unterschiedliche Herausforderungen geantwortet hat, um neue Wege aufzuzeigen.
Ich wünsche allen, die hier in dieser Pfarre sich in dieser Zeit, wie das Ökumenische Sozialwort am Anfang sagt, genauso Gottes Zeit ist, feiern und versammeln, Gottes reichen Segen. Cezar, der morgen seinen 31. Geburtstag feiert (und auf den ich als seine Doktormutter ein wenig stolz bin), eben diesen Segen für seine Aktivitäten hier. Gott freut sich mit uns heute. Das ist das große, unfassbar große Geheimnis des Glaubens trotz aller Heillosigkeit und allem Unheil – Ausdruck der einen Hoffnung, die in der Auferstehung ihren Grund hat.
Nochmals herzlichen Dank für die Einladung und alles Gute für alle, die hier ein und ausgehen!

 

O. Univ. Prof. em. Mag. soc. oec. Dr. theol. Ingeborg Gabriel, Krems a.D., 5.11. 2020