Die Märtyrer der Rumänischen Orthodoxen Kirche – Beispiel und Ermutigung für unser christliches Zeugnis heute (Köln, 19 august 2005)

Gespräch mit den Jugendlichen in Köln, zum Treffen der Deutschen Bischöfen mit SS Papst Benedikt XVI, 19. August 2005

Zuerst möchte ich der Gemeinschaft Sant’Egidio herzlich für die Einladung zu dieser Begegnung danken. Gern spreche ich zu Euch Jugendlichen über ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt. Das gemeinsame Gedenken an das Leid der Christen hilft uns, auf dem Weg der Annäherung zwischen den christlichen Kirchen und den Religionen unseres Kontinents voranzukommen, da die Märtyrer jede konfessionelle Grenze durch ihr Martyrium überschreiten. Der auch von uns Orthodoxen sehr geachtete Papst Johannes Paul II., der Rumänien im Jahr 1999 als erstes Land mit einer orthodoxen Mehrheit besucht hat, spricht von der Ökumene der Heiligen und Märtyrer als der „überzeugendsten”. Diese Ökumene „spricht mit lauterer Stimme als die Urheber von Spaltungen” (Tertio Millenio adveniente 3.7). Im Leiden haben diese Glaubenszeugen von Einheit gesprochen. Dabei ging es nicht um einen theologischen Dialog, sondern um konkrete Liebe im Alltag, denn in den Gefängnissen haben sie einander geholfen, sie haben sich gegenseitig im Glauben gestützt und so eine Einheit in der Tiefe gelebt, die auch heute für uns beispielhaft ist.

Die Märtyrer der Rumänischen Orthodoxen Kirche

Zunächst möchte ich etwas über Rumänien sagen. Schon das frührumänische Christentum wird von vielen Märtyrern bezeugt, die aus verschiedenen Märtyrerakten bekannt sind. Und ein besonderes Kapitel in der Geschichte der rumänischen Orthodoxie nimmt die Periode der osmanischen Oberhoheit ein. Bei vielen Spannungen und Aufständen zur Verteidigung ihrer religiösen Identität mussten zahlreiche Rumänen ihre Treue zu ihrem christlichem Glauben, der Orthodoxie, mit dem Leben bezahlen. Die Kirche hat einige dieser Glaubenshelden in die Reihe der heiligen Märtyrer aufgenommen. Sie „blieben beharrlich in ihrem Glauben und hielten stand mit einer edlen Haltung der Stärke“, wie es der französische Historiker M. Mignot in seiner „Histoire de l’Empire Ottoman“ festhält (vol. IV, Paris 1773, p. 202). Das bekannteste Beispiel für den Verteidiger des christlichen Glaubens war Constantin Brancoveanu, ein Fürst der Walachei, der am 15. August 1714, an dem die Christen des Entschlafens der Gottesmutter gedenken, zusammen mit seinen vier Kindern, der jüngste im Alter von nur 12 Jahren, zusammen mit seinem Berater Ianache in einem Stadion von Konstantinopel enthauptet wurde.

In der kommunistischen Epoche von 1944-1989 sind viele orthodoxe Priester, Mönche und Gläubige in politischer Haft gestorben. Wenn sie auch nicht verboten wurde, wie die Griechisch-Katholische Kirche 1948, so musste doch auch die Rumänische Orthodoxe Kirche für ihr Überleben teuer bezahlen. Viele Bischöfe wurden abgesetzt, Kirchen und Klöster geschlossen, manchmal auch zerstört. Es gab eine massive Reduzierung der kirchlichen Seminare und Theologischen Fakultäten. Der Religionsunterricht wurde an den Schulen gestrichen und religiöse Symbole und Handlungen aus staatlichen Einrichtungen entfernt. Rund 2000 Priester wurden inhaftiert, über 5000 Mönche und Nonnen aus den Klöstern vertrieben. Armee-, Krankenhaus- und Gefängnisseelsorge wurden verboten. Viele große Theologen wurden verhaftet; die früheren Rektoren der Theologischen Fakultäten von Cluj und Arad, Liviu Galaction Munteanu und Ilarion Felea, starben 1961 in politischer Haft. Noch in den 80er Jahren wurden regimekritische Mönche verhaftet. Das Ziel der Kommunistischen Partei Rumäniens (PCR) war die Erschaffung eines neuen Menschen, der von jeglicher Form des Glaubens und aller „rückständigen“ religiösen Sozialisation befreit werden sollte. Und darunter hatten auch viele Christen aus den anderen christlichen Konfessionen zu leiden, denn in Rumänien gibt es ein vielfältiges ökumenisches Miteinander von Orthodoxen, griechisch-katholischen Christen, Katholiken und evangelischen Christen. Alle waren von dieser Verfolgung betroffen, sodass wir im Leiden vereint waren. Diese wichtige Erfahrung ist heute für uns ein Ansporn, die Ökumene weiter zu pflegen und uns als Schwestern und Brüder zu verstehen.

Die Märtyrer vermitteln uns ganz besonders diese Botschaft: Im Evangelium sind wir Christen alle vereint, und eine Gesellschaft und unser Europa wird nur auf der Grundlage des christlichen Glaubens eine Zukunft haben, in der das Leben aller geachtet wird. Eine Gesellschaft ohne Bezug zu Gott, ohne die Grundlage des Evangeliums wird unmenschlich und zur Sklaverei für den Menschen. Eine neue Zukunft können wir Christen nur gemeinsam aufbauen. Heute ist Europa zum Glück nach leidvollen Trennungen wieder vereint, und wir Rumänen freuen uns, bald zur Europäischen Union zu gehören. Doch dieses Europa muss, wie Johannes Paul II. gesagt hat mit beiden Lungenflügeln atmen: mit den Christen der östlichen und der westlichen Tradition. Deshalb ist die Ökumene für uns alle nicht nur eine Option, sondern sie ist ein Gebot der Stunde, das uns Jesus auch selbst aufgetragen hat.

Die Berufung zum Märtyrer. Für eine offene Identität

Das christliche Zeugnis und Martyrium haben nichts gemein mit religiösem Fundamentalismus und Fanatismus, der die Freiheit verleugnet und die Religion in eine Ideologie der Intoleranz gegenüber denen verwandelt, die anders oder überhaupt nicht glauben. Wenn der Verstand nicht vom Glauben und von der Liebe durchdrungen ist, die aus dem Glauben kommt, dann wird der Glaube missbraucht und zu einer Ideologie. Der Glaubenszeuge ahmt immer die Liebe Christi nach, die auch den Feinden gilt, wie Jesus selbst am Kreuz bezeugt hat.

Die Märtyrer sprechen von der Liebe, auch von der Liebe unter den Christen. Das ist heute sehr wichtig, weil wir Christen immer noch getrennt sind und weil manchmal die Wege der Ökumene nicht einfach sind. Der Christ hat eine klare Identität, macht aus ihr aber kein Idol, er ist kein Gefangener seiner eigenen Identität. Seine Identität ist offen und wird bereichert durch den Dialog und die Gemeinschaft mit den Nächsten. Das ist ein wichtiger Aspekt, wenn wir den Schwestern und Brüdern der anderen Konfessionen begegnen.

Liebe Jugendliche,

ihr seid die Zukunft der Kirche, auch ihr seid aufgerufen, die Einheit unter den Christen weiter zu bauen, für die Jesus selbst gebetet hat. Jeder von euch kann viel dafür tun, wenn er dem Beispiel der Märtyrer folgt und immer den Weg der Liebe geht, wie es Jesus, unser Lehrer und Meister, uns gelehrt hat. Deshalb freue ich mich, heute hier bei euch zu sein und durch mein Zeugnis euch zu ermutigen, diesen Weg zu gehen. Lasst euch nicht von denen abhalten, die nur die Probleme sehen oder meinen, dass die Geschichte oder unterschiedliche Mentalitäten oder ethnische Gegebenheiten uns zu Trennungen führen. Die Liebe ist stärker als die Erfahrungen der Geschichte, als die Zugehörigkeit zu einem Volk oder zu einer Ethnie, das zeigt uns Jesus und das zeigen uns die Märtyrer. Geht den Weg der Liebe, den Weg Jesu, dann werdet ihr auch den Weg der Einheit der Christen finden.

Vielen Dank!

Metropolit Serafim