„Siehe, Ich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ – Ostern 2010

„Siehe, Ich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ (Matthäus 28, 19)

Hochwürdige Väter und geliebte Gläubige,

Christus ist auferstanden!

Wir freuen uns heute und preisen Gott den Herrn, dass wir das Hochfest der Auferstehung des Herrn feiern dürfen, nachdem wir uns in der Fastenzeit bemüht haben, den Erlöser auf seinem Weg nach Golgatha zu begleiten durch Enthaltsamkeit beim Essen und Trinken sowie durch unseren Eifer, immer bessere Menschen zu werden. Dabei ist unser ganzes Leben ein ständiges Bemühen, immer bessere Menschen zu werden, das heißt: Gott und unseren Nächsten immer näher zu kommen. Heute belohnt der Erlöser Jesus Christus unsere Anstrengung während der Fastenzeit durch die Freude Seiner Auferstehung, die auch aus den wunderschönen österlichen Gesängen wie auch der besonderen gnadenreichen Atmosphäre in der Kirche tief in unsere Seele eindringt. Die Verkündigung der Auferstehung in dem unzählig oft wiederholten Ruf „Christus ist auferstanden! – Er ist wahrhaftig auferstanden!“ – der das konzentrierteste Bekenntnis des christlichen Glaubens überhaupt darstellt – stärkt in uns die Überzeugung, dass unser Leben einen höheren Sinn hat, und zwar die Auferstehung; er versichert uns, dass wir nicht den Elementen dieser Welt ausgeliefert sind und dass wir nie einsam sind, auch dann nicht, wenn uns die Menschen verlassen, weil Christus der Auferstandene zu allen Zeiten und an allen Orten mit uns ist.

Vor Seiner Himmelfahrt am Berg Zion 40 Tage nach Seiner Auferstehung von den Toten sprach der Erlöser zu Seinen Jüngern und sagte: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ (Matth. 28, 18-20). Der heilige Evangelist Markus bestätigt bereits die Erfüllung dieser Verheißung, wenn er sagt: „Nachdem der Herr Jesus mit ihnen geredet hatte, wurde er aufgehoben gen Himmel und setzte sich zur Rechten Gottes. Sie aber zogen aus und predigten an allen Orten. Und der Herr wirkte mit ihnen und bekräftigte das Wort durch die mitfolgenden Zeichen. Amen“ (Mk. 16, 19-20) Gewiss haben die Jünger des Erlösers an die Verheißung des Herrn geglaubt, dass Er alle Tage bei ihnen sein wird, wie dies bis zu Seiner Himmelfahrt war, auch wenn Er leibhaftig nicht mehr auf Erden sein wird. Doch der Glaube der Apostel und ihr Gebet zum Auferstandenen Herrn bewirkte es wahrhaftig, dass Er mit ihnen war und mit ihnen auch wirkte.

Doch die Verheißung des Herrn: „Siehe Ich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende“ bezieht sich nicht nur auf die heiligen Apostel, sondern auch auf ihre Nachfolger, also die Bischöfe, Priester und Diakonie sowie alle Gläubigen der Kirche, die gemeinsam das Volk Gottes bilden. Alles, was Gott der Herr in der Heiligen Schrift verheißt, richtet sich an alle, die an Ihn glauben. So also auch an uns, die wir uns bemühen, an Ihn zu glauben. Ich sage bewusst: die wir uns bemühen zu glauben, denn wahrhaftig an Gott zu glauben ist beileibe nicht leicht. „Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr!, in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel.“ (Matth. 7,21) Der Glaube verlangt ein ständiges Bemühen darum, den Willen Gottes zu erfüllen, also die Gebote Gottes, die uns gegeben sind, damit wir geistlich reifen und um uns vor geistlichem und körperlichem Verfall zu bewahren. Tatsächlich werden die, die die Gebote Gottes nicht beachten, bald von den verschiedensten Leidenschaften beherrscht, welche die Heilige Schrift die „Werke des Fleisches“ nennt; dazu zählen Unzucht, Ausschweifung, Feindschaft, Zwietracht, Zank, Töten (Abtreibung), Trunksucht, Völlerei und dergleichen (vgl. Gal. 5,19). Heute könnten wir hinzufügen: Unglauben oder religiöse Indifferenz, Verhütung, Drogen, Rauchen, etc… Diese Sünden und Leidenschaften degradieren den Menschen und zerstören ihn, sowohl seelisch, als auch leiblich.

So verstehen wir, dass unser Erlöser Jesus Christus, der Auferstandene, dem „alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden“,

an allen Tagen im Leben der wahrhaft Gläubigen gegenwärtig ist und wirkt, also derer, die sich Tag für Tag bemühen, die Gebote Gottes zu erfüllen, die sich der Sünden enthalten und Gutes tun, derer, die immerzu beten, zu Hause und in der Kirche, im Leben derer, die fasten und ein in Allem maßvolles Leben führen und sich um ihre Erlösung mehr sorgen als um alles andere auf der Welt: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes (…), so wird euch das alles zufallen“ (Matth. 6, 33), sagt unser Erlöser Jesus Christus. Wie sehr würde es unser Leben erleichtern, wenn wir diese Worte des Herrn beherzigen würden! Denn dann würden wir Gott mehr vertrauen als unseren eigenen Kräften, wir würden mehr beten, wir würden mehr nach dem Heiligen streben, wir würden öfter die Kirche aufsuchen, und Gott würde uns hundertfach mit Seinen geistlichen Gaben dafür entlohnen, also mit dem Frieden des Herzens und der Ruhe und Ausgeglichenheit der Seele, die wertvoller sind als alle Schätze dieser Welt, aber auch mit den weltlichen Gütern, die wir zum alltäglichen Leben brauchen. Gott der Herr vollbringt wahre Wunder an denen, die ihre Hoffnung auf Ihn setzen.

Geliebte Gläubige,

nach Seiner Himmelfahrt bleibt unser Erlöser Jesus Christus weiterhin in der Welt gegenwärtig, sowohl geistlich in den Herzen derer, die an Ihn glauben und sich bemühen, den Willen Gottes zu erfüllen, als auch leibhaftig in Seinem Leib und Blut, das Er uns im Heiligen Mahl im Sakrament der Eucharistie oder der Göttlichen Liturgie schenkt. Diese beiden Arten der ständigen Gegenwart Gottes in der Welt entsprechen unserer menschlichen Natur, die ebenfalls geistlich und leiblich ist. Wir brauchen Gott in jedem Moment unseres Lebens, „denn in Ihm leben, weben und sind wir“ (Apg. 17, 28). Unser Leben hängt mit anderen Worten immer von Gott ab, auch wenn wir uns dessen nicht bewusst sind. Der gläubige Mensch müht sich indes darum, sich der ständigen Gegenwart des Herrn in seinem Herzen und Leben bewusst zu werden, indem er täglich und wiederholt betet: zu Hause, bei der Arbeit, auf Reisen, zu jeder Zeit und an jedem Ort. Wo auch immer er sich aufhält, spricht der Gläubige kurze, dem Moment angepasste Gebete und ruft aus tiefem Herzen Gott um Seine Hilfe an. Gott wiederum antwortet auf wundersame Weise, indem er uns ermutigt und unsere Seele tröstet, durch die Zähmung unserer Feinde, durch Energie für unsere Arbeit… Genauso weiß jeder Christ, dass er nicht alleine Christ sein kann ohne eine enge und ständige Verbindung zur Kirche, also mit der Gemeinschaft der anderen Gläubigen. Der Erlöser hat die Kirche gerade deshalb gegründet, um alle, die an Ihn glauben, zusammenzubringen und zu versammeln und sie mit Seinem Leib und Blut zu stärken, „damit alle eins seien“ (vgl. Joh. 17, 21). Das Ziel des christlichen Lebens ist gerade die Erneuerung der Gemeinschaft der Menschen, die von der Sünde zerstört wurde, ihre Annäherung und die Harmonie zwischen ihnen. Gott liebt nichts so sehr wie die Annäherung zwischen den Menschen, die Liebe und Harmonie zwischen ihnen, was tägliche Wirklichkeit im Leben der Familie, in der Kirche und in der Gesellschaft sein sollte. Wo es keine Harmonie und keinen Frieden gibt, dort kann der Geist Gottes nicht sein. Genau deshalb sagen die Kirchenväter unisono, dass niemand alleine erlöst werden kann, isoliert von seinen Nächsten und auf egoistische Weise, sondern dass wir alle in der Gemeinschaft der Kirche erlöst werden, zusammen mit den anderen Gläubigen, mit deren und der Heiligen Hilfe und Fürbitte. Daher ist die Teilnahme an den Gottesdiensten der Kirche und in erster Linie an der Göttlichen Liturgie grundlegend für den Gläubigen. Nirgendwo ist Gott mehr gegenwärtig als in der Heiligen Kirche, in der wir gemeinsam für unser Wohlergehen und unsere Erlösung beten, und in der wir die Kommunion an Leib und Blut Christi empfangen, damit wir das Leben haben. So können wir nur wiederholen und unterstreichen, dass die, welche glauben, dass sie Gläubige sein können auch ohne an der Göttlichen Liturgie teilzunehmen, ohne zu beichten und ohne die Heilige Kommunion zu empfangen, oder die glauben, dass es ausreicht, zu Hause zu beten, und die das Gebet in der Gemeinschaft der Kirche vernachlässigen, sich bitter täuschen. Es gibt keinen größeren Irrtum als den zu glauben, dass man die Kirche und ihre Sakramente nicht braucht, die vom Herrn gerade für das Leben und zur Erlösung der Menschen hinterlassen wurden: „Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Wenn ihr nicht das Fleisch des Menschensohns esst und sein Blut trinkt, so habt ihr kein Leben in euch. Wer Mein Fleisch isst und Mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben, und Ich werde ihn am Jüngsten Tage auferwecken. Denn Mein Fleisch ist die wahre Speise, und Mein Blut ist der wahre Trank.“ (Joh. 6, 53-55)

Daher sollen wir die Kirche mehr als alles andere wertschätzen, wir sollen in Frömmigkeit jeden Sonntag an der Göttlichen Liturgie teilnehmen und möglichst oft die Sakramente Christi empfangen. Wenn wir dies tun, werden wir feststellen, wie nahe uns Gott ist, weil dann auch wir Gott nahe sind; je mehr Beharrlichkeit wir im Gebet haben, umso mehr wird sich unser Leben aufheitern, so dass wir mehr das Gute in unserem Umfeld sehen als das Böse und im Frieden in unserer Familie und mit unseren Nächsten leben können.

Geliebte Gläubige,

Neben den beiden aufgezeigten Formen der Gegenwart Gottes in unserem Leben, und zwar der geistlichen Gegenwart in unserem Herzen und der leibhaftigen Gegenwart im eucharistischen Brot und Wein, die durch das Gebet des Priesters und der Gläubigen bei der Göttlichen Liturgie zum Leib und Blut des Herrn werden, ist unser Erlöser Jesus Christus unter uns auch besonders gegenwärtig in den Armen, Hungrigen und Dürstenden, in den Kranken, in den Gefangenen wie in allen Menschen, die auf diese oder jene Weise leiden.

Aus dem Evangelium nach Matthäus Kapitel 25 wissen wir, dass wir beim Jüngsten Gericht, wenn wir uns vor Gott dem Gerechten Richter verantworten müssen, zuerst danach gefragt werden, was wir unseren Nächsten Gutes getan haben, mit denen Christus der Herr sich identifiziert: „Ich bin hungrig gewesen, und ihr habt Mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt Mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen, und ihr habt Mich aufgenommen. Ich bin nackt gewesen, und ihr habt Mich gekleidet. Ich bin krank gewesen, und ihr habt Mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen, und ihr seid zu Mir gekommen.“ (Matth. 25, 35-36) Alles Gute, das wir Nächsten tun, wenn sie in Not sind oder leiden, das tun wir faktisch unserem Erlöser Christus Selbst: „Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen Meinen geringsten Brüdern, das habt ihr Mir getan.“ (Matth. 25,40) Und je nachdem, wie viel Gutes wir diesen getan haben oder nicht getan haben, werden wir erlöst oder bestraft, werden wir das Himmelreich erben oder im ewigen Feuer umkommen. Das Kapitel 25 des Matthäus-Evangeliums, welches das Jüngste Gericht beschreibt, müsste täglich gelesen werden, um uns ständig an unsere Pflicht zu erinnern, gute Menschen zu sein und nur Gutes zu tun, solange wir auf Erden leben. Denn wenn wir unseren Nächsten nur Gutes tun, sogar denen, die es uns mit Bösem vergelten, werden wir den Lohn dafür von Gott erhalten, wie im Himmel so auf Erden. Das Leben ist zu kurz, um es in Hass zu verbringen oder egoistisch nur an uns selbst zu denken. Unser Leben findet seine ganze Schönheit dann, wenn wir gut und großzügig sind wie Gott der Herr, wenn wir uns an der Freude der Nächsten erfreuen und wenn wir mit ihnen trauern, wenn sie trauern. Wenn wir Christus den Herrn wahrhaft in unserem Herzen haben, dann werden wir gut sein wie Gott, Der „Seine Sonne aufgehen lässt über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte“ (Matth. 5, 44). Dann werden wir immerzu Frieden und Freude im Herzen haben, die das Zeichen des wahren Christen sind. Bemühen wir uns darum, also streben wir danach, in unserem Leben nur Gutes zu tun, Gott den Herrn zu lieben und unsere Nächsten zu lieben! Und wir sollen sie nicht nur mit Worten lieben, sondern auch mit Taten, also mit unserer konkreten Hilfe, gerade in unseren Zeiten mit großen Naturkatastrophen weltweit sowie der Finanz- und Wirtschaftskrise!

Ich lege Euch diese Worte der Lehre in der Hoffnung ans Herz, dass sie hundertfach Frucht bringen, segne Euch alle im Namen des Auferstandenen Herrn und übermittle Ihnen mit dem Ostergruß die herzlichsten Wünsche für Gesundheit und Wohlergehen:

Christus ist auferstanden!

Gesegnete Feiertage!

Euer Euch allzeit Gutes wünschender und zum Herrn, dem Überwinder des Todes, betender

† S E R A F I M

Erzbischof von Deutschland, Österreich und Luxemburg und

Metropolit von Deutschland, Zentral- und Nordeuropa

 

Übersetzung: Pfarrer Dr. Jürgen Henkel, Selb-Erkersreuth